Die Eröffnung einer Zweigpraxis bis zur Bildung eines Praxisnetzes kann für Ärzte eine wirtschaftliche sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Hauptpraxis sein. Das Sozialgericht München hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 03.02.2017 (S 28 KA 1/17 ER) festgestellt, dass eine Zweigpraxis zulässig ereichtet werden kann, wenn sich die Versorgung der Patienten dadurch (substanziell) verbessert.
Ein Urologe betreibt mit Kollegen des gleichen Fachgebiets eine Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft). Zusammen mit seinen Partnern beantragte der Urologe die Genehmigung einer Zweigpraxis in der ca. 10 Kilometer entfernten Nachbarstadt. Begündet wurd der Genehmigungsantrag u.a. damit, dass in der Nachbarstadt kein Urologe vorhanden sei und die Berufsausübungsgemeinschaft aufgrund der hohen fachlichen Qualifikation und des umfassenden Versorgungsangebotes die Versorgung der Menschen in der Anchbarstadt, aber auch den angrenzenden Gemeinden qualitativ und quantitativ deutlich verbessere.
Für die Genehmigung der Zweigpraxis ist der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung, wie sich aus § 24 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ergibt. Dieser besagt folgendes:
Der Zulassungsausschuss wies den Antrag zurück. Er begründete die Entscheidung damit, dass nach einer Überprüfung feststehe, dass die versicherten in Stadt und Landkreis gut versorgt seien und somit kein Bedarf für eine Zweigpraxis der Berufsausübungsgemeinschaft bestehe.
Hiergegen erhob der antragstellende Arzt Klage zum Sozialgericht und beantragte gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das Sozialgericht hob die Entscheidung der kassenärztlichen Vereinigung im Verfahren der einstweiligen Anordnung auf. Die Kassenärztliche Vereinigung berücksichtige nicht, dass es am Ort der beantragten Zweigpraxis keine vertragsärztliche Versorgung auf dem Fachgebiet der Urologie gäbe. Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme fachärztlicher urologischer Leistungen vor Ort verbessere die ärztliche Versorgung der Versicherten erheblich. Diese müssten nicht mehr mehrere Kilometer weit in die nächste Stadt fahren, um die fachärztlichen Leistungen der Berufsausübungsgemeinschaft in Anspruch nehmen zu können. Aufgrund der Einwohnerzahl könne man auch nicht nur von einem kleinen Patientenklientel ausgehen. Die Hauptsacheklage sei daher hinreichend erfolgversprechend, so dass das Sozialgericht die kassenärztliche Vereinigung aufforderte, über den Antrag des Arztes neu und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts zu entscheiden.
Der Expansionsgedanke ist auch in der niedergelassenen kassenärztlichen Versorgung aktuell. Der Zusammenschluss von Ärzten und die Bildung von Praxisnetzen ist ein durchaus attraktives Konstrukt, welches Synergieeffekte für die Beteiligten schaffen und wirtschaftlich attraktiv sein kann. Nicht zuletzt wird dadurch in der Regel die Versorgung der Patienten verbessert. So begrüßenswert dieser Umstand auch ist, sind für die Ärzte einige Hürden zu überwinden. Der Zulassungsausschuss der kassenärztlichen Vereinigung hat im Rahmen der Bedarfsplanung die Möglichkeit, die Genehmigung einer Zweigpraxis zu versagen. Nicht immer liegt der Sachverhalt so günstig wie im dargestellten Fall des Sozialgerichts München. Aus diesem Grund sollte man frühzeitig die Argumente des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV in seine Planung einbeziehen und sich fachlichen Rats bedienen.