Verjährung bei Behandlungsfehlern

Verjährung bei Behandlungsfehlern

Problemstellung

Die Frage, wann die Verjährung bei Behandlungsfehlern eintritt, ist für die Prüfung von Schadenersatzansprüchen sowohl für die Patienten- wie auch für die Behandlerseite von elementarer Bedeutung. Folgen von Behandlunsgfehlern werden nicht immer sofort, sondern teilweise erst Jahre nach der eigentlichen Behandlung erkennbar. Doch auch wenn diese unmittelbar erkennbar werden, bedarf es häufig langwieriger Verfahren und Auseinandersetzungen, bis eine valide gutachterliche Einschätzung vorliegt.

Die regelmäßige Verjährung nach §§ 195, 199 BGB beginnt mit Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und endet nach Ablauf von 3 Jahren.

Der Zeitraum von 3 Jahren kann in komplexen Arzthaftungsangelegenheiten manchmal nicht ausreichen, um eine Klärung herbeizuführen. Es stellt sich daher die Frage, wie die Verjhärung unterbrochen bzw. gehemmt werden kann. Im hier publizierten Fall bestand die Problematik darin, dass die Verjährung bei Behandlungsfehlern dadurch gehemmt werden kann, dass die Beteiligten ein Schlichtungsverfahren vor der Landesärztekammer betreiben. Fraglich war jedoch, ob die Hemmung der Verjährung nur dann eintrit, wenn beide Parteien das Verfahren betreiben.

Mit diesem Problemkreis hatte sich der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung vom 17.01.2017 – VI ZR 239/15 zu beschäftigen.

Der Fall

Der Kläger erlitt im Jahr 2007 einen Zeckenbiss. Ebenfalls noch im Jahr 2007, jedoch einige Monate später traten im rechten Knie des Klägers starke Schmerzen auf. daraufhin suchte er den Beklagten, einen Facharzt für Orthopädie auf. Dieser behandelte zunächst wegen Reizzuständen und später wegen einer Entzündung der inneren Gelenkkapsel.

Im Juni 2008 suchte der Kläger ein Kniezentrum auf, in welchem die Behandler den Verdacht äußerten, dass der Kläger an einer Borreliose litt und hierdurch eine Arthritis in nahezu allen Körpergelenken ausgelöst wurde.

Am 15.12.2011 stellte der Kläger einen Schlichtungsantrag bei der zuständigen Schlichtungsstelle der Landesärztekammer. Im April 2012 lehnte der Haftpflichtversicherer des Beklagten die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ab, da die Ansprüche bereits verjährt seien. Ausschlaggebendes Argument des Haftpflichtversicherers war, dass dieser, wie auch der Beklagte, erst im Februar 2012 einem Schlichtungsverfahren zugestimmt hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei die Verjährung für Ersatzansprüche aus den Behandlungsfehlern jedoch bereits eingetreten gewesen. Das Schlichtungsverfahren wurde nicht durchgeführt.

Der Kläger klagte daraufhin vor dem Landgericht auf Schadenersatz, da dem Beklagten Behandlungsfehler unterlaufen seine und er hierdurch die Borreliose zu spät erkannt hätte. Die Klage wurde abgewiesen, da das Landgericht davon ausging, dass die Ansprüche verjährt seien. Die Berufung vor dem Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg. Auch die Richter des Oberlandesgerichts gingen von einer Verjährung der Ersatzansprüche aus.

Mit der Revision zum Bundesgerichtshof verfolgte der Kläger seine Ansprüche weiter und erreichte einen Etappensieg.

Die Entscheidung

Nach Ansicht des Bundesgerichtshof genügt zur Hemmung der Verjährung bereits, dass der Schlichtungsantrag in einem Zeitpunkt eingereicht wird, zu welchem die Ansprüche nicht verjährt sind.

§ 204 Abs. 1 Nr 4 BGB in seiner Fassung bis zum 25.02.2016 besagt, dass die Verjährung von Ansprüchen dadurch gehemmt wird, dass die Bekanntgabe eines Güteantrages (einer im Gesetz näher bezeichneten Gütestelle) veranlasst wird oder die Parteien einvernehmlich eine Streitbeilegung betreiben.

Im zu beurteilenden Fall ging das Oberlandesgericht davon aus, dass die Parteien gerade keinen einvernehmlichen Einigungsversuch unternahmen. Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 EGZPO (Fassung bis 31.03.2016) wird unwiderleglich von dem Einvernehmen ausgegangen, wenn der Berbraucher eine entsprechende qualifizierte Gütestelle angerufen hat. Diese Vermutung findet in gleicher Weise auch auf § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB Anwendung, wie der BGH nunmehr feststellt.

Auf den hinter dem Beklagten stehenden Haftpflichtversicherer und dessen Entscheidung über die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens kommt es nach Ansicht des BGH nicht an. Auch ist unerheblich, ob der Schlichtungsantrag unzulässig oder unbegründet ist.

Die Hemmung endet nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidungoder anderweitigen Beendigung des Verfahrens.

Der Kläger wurde von der Schlichtungsstelle im April 2012 über die Beendigung des Verfahrens informiert. Die Hemmung dauerte demzufolge bis in den Oktober 2012 an. Da die Klage noch im Otober zugestellt wurde, war die Verjährung zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Verfahrens nicht eingetreten.

Der Rechtsstreit wurde nunmehr an das zuständige Berufungsgericht zurückverwiesen.

Fazit

Die Verjährung bei Behandlungsfehlern sollte in jedem Fall sorgsam geprüft werden, wenn Ansprüche erhoben werden bzw. erhoben werden sollen. Das teilweise langjährig gewchsene Vertrauen einer Behandler-Patienten-Beziehung wird oftmals nicht sofort durch den Vorwurf eines Behandlungsfehlers belastet. Ein gewisser zeitlicher Spielraum soll dabei durchaus zugestanden sein.

Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass Gutachterverfahren, insbesondere durch die gesetzliche Krankenversicherung nach § 66 SGB V oder durch die Einholung von Privatgutachten, oftmals keine hemmende Wirkung entfalten und mehrere Monate dauern können. Somit ist das risiko der Verjährung stets zu berücksichtigen, wenn sich die Frage nach Ersatzansprüchen wegen eines Behandlungsfehlers stellt.