Aufklärung und Dokumentation bei einer Organentnahme

Aufklärung und Dokumentation bei einer Organentnahme

Das Oberlandesgericht Hamm hatte in einer am 28.10.2016 veröffentlichten Entscheidung zu Aktenzeichen 3 U 6/16 einen Fall zu beurteilen, bei dem die Klägerin und Organspenderin die behandelnde Klinik auf Schadenersatz in Anspruch nahm. Sie warf der Klinik u.a. vor, die Nierenlebendspende sei kontraindiziert gewesen und darüber hinaus sei sie auch über die Folgen der Organspende nicht ausreichend aufgeklärt worden. Gerade in Punkto Aufklärung habe die Klinik gegen § 8 Abs.2 Transplantationsgesetz (TPG) verstoßen. Wesentlich für die Entscheidung war unter anderem die Frage der hypothetischen Einwilligung zu beantworten, also wie sich die Klägerin verhalten hätte, wäre sie korrekt aufgeklärt worden.
In 2008 fasste die Klägerin den Entschluss, Ihrem Vater eine Niere zu spenden, da dieser an einer schweren Nierenerkrankung litt. Neben einer schriftlichen Patienteninformation fand u.a. in 2009 ein Aufklärungsgespräch statt, wie es auch § 8 Abs. 2 TPG vorsieht. Am Tag vor der Organentnahme erfolgte ein weiteres Aufklärungsgespräch durch einen Klinikarzt. Im Jahr 2014 versagte die transplantierte Niere beim Vater der Klägerin ihren Dienst.
Einen Behandlungsfehler vermochte das OLG Hamm nicht festzustellen und folgte damit der Entscheidung der Vorinstanz, dem LG Essen. Hinsichtlich der Aufklärung wurde vom Gericht beanstandet, dass diese hinsichtlich der Folgen und Risiken der Lebendnierenspende unzureichend gewesen sei. Beanstandet wurde vom Gericht insbesondere, dass keine den inhaltlichen Anforderungen genügende und ärztlich unterzeichnete Aufklärungsniederschrift existiere.
Dieser Verstoß gegen die formellen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 TPG führe jedoch nicht unweigerlich zur Unwirksamkeit der Aufklärung und zur Rechtswidrigkeit des Eingriffs. Die Vorschriften des § 8 Abs. 2 TPG seien als Ordnungsvorschriften anzusehen, die jedoch nicht die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung regelten.
Zudem greife der Einwand der hypothetischen Einwilligung, also dass die Klägerin auch bei korrekter Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte. Kurz zusammengefasst habe die Klägerin den Entschluss zur Lebendnierenspende gefasst, da sie um den Tod des Vaters gefürchtet habe und als Arzthelferin in Kenntnis einiger als gravierend empfundener Risiken dem Eingriff zugestimmt habe.

Die Aufklärung eines Patienten sowie deren Dokumentation sind von maßgeblicher Bedeutung für Patienten und Behandler. Gleichwohl kann aus den Gesamtumständen der Rückschluss auf ein hypothetisches Verhalten des Patienten gezogen werden, wäre er korrekt aufgeklärt worden, womit sich der Behandler entlasten kann. Die Entscheidung des OLG Hamm reiht sich hierbei in zahlreiche weitere Entscheidungen ein, die einerseits die Aufklärungspflichten als wesentlich ansehen und Verstöße hiergegen grundsätzlich sanktionieren, andererseits aber auch der Behandlerseite die Möglichkeit offen lassen, sich zu entlasten, wenn der Patient auch bei sachgerechter Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte. Auch differenziert das Gericht zwischen der Aufklärung zu einem Heileingriff (also wenn der Eingriff zur Heilung der eigenen Gesundheit erforderlich ist) und dem hier vorgenommenen Eingriff in den eigentlich gesunden Körper zur Heilung eines Anderen. Bei einem Heileingriff in den eigenen Körper hat der Patient darzulegen, dass er bei korrekter Aufklärung in einen erheblichen Entscheidungskonflikt geraten wäre. In dem hier dargestellten Fall genüge es jedoch, wenn der Organspender plausibel darlege, dass er in seiner persönlichen Situation bei einer hinreichenden Aufklärung von einer Organspende abgesehen hätte.

 

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