Regressrisiko Arzneimittel

Regressrisiko Arzneimittel

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in einer aktuellen Entscheidung (L 9 KR 437/16 KL ER) im Wege des einstweiligen Rechtschutzes über die Preisbildung bei Arzneimitteln entschieden. Die Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung warnen nun die niedergelassenen Ärzte vor einem erhöhten Regressrisiko.

Der Fall

Gegenstand der Entscheidung ist das Medikament Eperzan® (Wirkstoff: Albiglutid) ein GLP-1-Analogon. Dieses ist seit 2014 europaweit zugelassen für die Monotherapie und Kombinationstherapie bei Diabetes-mellitus-Erkrankungen.

Der Streit dreht sich im Wesentlichen darum, ob das Medikament nur für die Kombinationstherapie mit Metformin zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden darf. Die angerufene Schiedstelle hatte den Erstattungsbetrag einheitlich für die Patientengruppe, bei denen ein Zusatznutzen festzustellen ist und die Patientengruppe ohne Zusatznutzen, festgesetzt.

Die Entscheidung

Die Anfechtungsklage gegen eine Schiedstellenentscheidung hat keine aufschiebende Wirkung, was bedeutet, dass die Schiedsstellenentscheidung wirksam wird, auch wenn sie mit einer Klage angefochten wird. Es findet in der Regel keine Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens statt, jedoch eine summarische Prüfung des Streitstands.

Das LSG Berlin-Brandenburg folgte dem Antrag des GKV-Spitzenverbandes, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage herzustellen.

Das Gericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass die vom GKV-Spitzenverband geführte Klage gegen die Schiedsstellenentscheidung hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Zunächst dürfe, unter Berücksichtigung der Regelungen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzte (AMNOG), ein neues Arzneimittel ohne Zusatznutzen keine höheren Jahrestherapiekosten auslösen, als die Vergleichstherapie. Die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie seien als rechtliche Obergrenze im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V zu bewerten.

Die Mischpreisbildung durch die Schiedsstelle sei unzulässig, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bei einer Patientengruppe einen (wenn auch nur geringen) Zusatznutzen erkannt und bei einer anderen oder mehreren Patientengruppen einen solchen verneint hat. Die Unterscheidung in unterschiedliche Patientengruppen sei nach § 35a Abs. 1 satz 3 Nr. 4 SGB V und Kapitel 5, § 18 Abs. 1 der Verfahrensordnung des GBA  nicht zu beanstanden.

Wesentlich in der Entscheidung für die Vertragsärzte führt das Landessozialgericht aus, dass die Verordnung auch für die patientengruppen ohne Zusatznutzen grundsätzlich möglich sei. Das Medikament sei hierfür arzneimittelrechtlich zugelassen. Jedoch dürfe aus der Existenz eines Erstattungsbetrages nicht auf die Wirtschaftlichkeit geschlossen werden. Eine Verordnung des Medikaments in den Patientengruppen ohne Zusatznutzen könne sich im Einzelfall als unwirtschaftlich erweisen und damit ein erhöhtes Regressrisiko im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach sich ziehen.

Diskussion

Die Entscheidung des Landessozialgerichts setzt sich neben dem oben genannten Gesichtspunkt, der in dieser Veröffentlichung als Schwerpunkt gesehen wird, noch mit weiteren, auch formalen Fragestellungen auseinander. Unter Anderem kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Schiedsstelle die Kalkulation dem Gericht plausibel darzulegen habe und hierzu weitgehende Auskunftspflichte  zu erfüllen habe.

Andererseits stellt sich gerade in diesem aber auch anderen, vergleichbaren Fällen dem Behandler die Frage, wie er eine sinnvolle Verordnung von Arzneimittel vornehmen kann, ohne sich hierbei einem erhöhten Regressrisiko auszusetzen.

Hierzu wird der Hauptsacheentscheidung mit Spannung entgegen gesehen.

Das Regressrisiko lässt sich nach der Vorabentscheidung sicherlich befürchten, jedoch wird man die Entscheidung in der Hauptsache abwarten müssen, um dieses tatsächlich einschätzen zu können. Die Verordnungsunsicherheit, die mit dieser Entscheidung und dem darin liegenden Regressrisiko einhergeht, tragen die niedergelassenen Ärzte und deren Patienten gemeinsam.