Patientenwille zum Lebensende

Patientenwille zum Lebensende

Der Patientenwille zum Lebensende ist häufig umstritten und manchmal nur sehr schwer durchzusetzen. Das Bundesverwaltungsgericht veröffentlichte am 02.03.2017 eine Pressemitteilung über eine Entscheidung (3 C 19.15), die sich als richtungsweisend zeigen kann. Doch noch ist Zurückhaltung geboten, denn die Pressemitteilung lässt noch keine konkreten Ansatzpunkte und verallgemeinerungsfähige Entscheidungsgründe erkennen. Die Entscheidung ist einstweilen als Einzelfallentscheidung zu betrachten.

Das Problem

Unheilbare und tödlich endene Erkrankungen gehen in einigen Fällen mit starken Beeinträchtigungen der Lebensqualität einher. Einige Patienten wünschen sich ein „würdiges“ Lebensende, ohne einen langen Leidensweg. Doch aktive Sterbehilfe ist ein Tabu und zudem gesetzlich untersagt. Der Patient selbst ist auf legalem Wege gehindert, sich hochpotente Schmerzmittel zu beschaffen. Äussert der Patient zudem, dass er mit diesen Medikamenten sein Lebensende selbst bestimmen möchte, stellt die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG eine kaum überwindbare Hürde dar. Der Patientenwille wird durch die Pflicht des Staates zur Beachtung von Recht und Gesetz eingeschränkt.

Der Fall

Die Patientin erlitt 2002 einen schweren Autounfall. Sie erlitt schwere Verletzungen und war querschnittsgelähmt. Sie musste dauerhaft künstlich beatmet werden und bedurfte rund um die Uhr medizinischer Betreuung und Pflege. Zudem litt sie an häufigen Krampfanfällen und unter massiven Schmerzen. Sie hatte den Wunsch, dieses Leben zu beenden. Der Patientenwille zum Lebensende war mit ihren Angehörigen, den behandelnden Ärzten, einem Psychologen und einem Geistlichen besprochen. Sie beantragte daraufhin beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)eine Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels in einer tödlich wirkenden Dosis. Das BfArM lehnte den Antrag ab und verwies darauf, dass der Selbstötungszweck vom Arzneimittel- und Betäubungsmittelgesetz nicht gedeckt sei.

Die Patientin begab sich daraufhin ins Ausland und setzte ihren Wunsch in die Tat um.

Gegen die Ablehnung des BfArM erhob die Patientin zuvor Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. Die daraufhin vom Ehemann erhibene Klage scheiterte zuletzt auch vor dem Bundesverfassungsgericht, mit der Begründung, der Kläger sei nicht klagebefugt.

Der Weg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte zum Erfolg (Urteil vom 19.07.2017 – 497/09). Die Tatsache, dass die nationalen, deutschen Gerichte die Klage des Ehemannes nicht in der Sache selbst, sondern nur in formeller Hinsicht geprüft hätten, verletze sein Recht aus Art. 8 EMRK, sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Das Verfahren wurde vor den Instanzgerichten fortgesetzt.Das Bundesverwaltungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass es das Betäubungsmittelgesetz im konkreten Fall nicht gestatte, ein Betäubungsmittel zum Zwecke der Selbsttötung zu erwerben. Das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungrecht des Patienten rechtfertige es jedoch in extremen Ausnahmefällen eine andere Bewertung vorzunehmen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Patient wegen der unerträglichen Lebenssituation frei und ernsthaft entschieden habe, das Leben beenden zu wollen und eine andere Alternative wie beispielsweise ein palliativmedizinisch begleiteter Behandlungsabbruch – nicht zur Verfügung steht. In solchen Etremsituationen soll der Patientenwille dadurch gewahrt werden, indem der Zugang zu einem verschreibungsfähigen und verkehrsfähigen Betäubungsmittel nicht verwehrt werde.

Da die Patienten bereits verstorben war, konnte das BfArM die gebotene Prüfung, ob in concreto ein solcher Ausnahmefall vorlag, nicht mehr nachholen.

Diskussion

Leider steht die vollständige Entscheidung noch nicht in veröffentlichter Form zur Verfügung. Es kann daher noch nicht beurteilt werden, ob das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil Maßstäbe angelegt hat, die auch auf andere Fälle angewendet und damit tatsächlich eine richtungsweisende Entscheidung für die Palliativmedizin darstellen kann. Sicherlich ist es schwer eine allgemein anwendbare Entscheidung zur Abwägung zwischen Patientenwille (Art. 2 GG) und staatlichem Schutz des Lebens (Art. 2 GG) zu finden. Angehörige und Behandler sehen sich, wollen Sie den Patientenwillen beachten, der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt. Die Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) ist strafbar.

Allerdings kann dies das Grundrecht des Menschen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, nicht in den Hintergrund treten lassen. Das Grundgesetz postuliert gerade keine Pflicht, in solchen Extremfällen wie oben beschrieben, das mit der tödlichen Erkrankung verbundene erhebliche Leid zu ertragen.

Der Patientenwille zum Lebensende muss allerdings frei getroffen werden. Diese Beurteilung stellt nun die Behandlerseite vor große Schwierigkeiten. Hier sind Rechtsprechung und Gesetzgeber gefragt, die Voraussetzungen für solche Extremsituationen zu definieren und somit den Behandler, aber auch den betroffenen Patienten eine praktikable Handreichung zu geben.