Der Betreiber einer Rettungswache kann von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde verkehrsrechtliche Anordnungen (Parkverbot, Einbahnstraßenregelung etc.) verlangen, wenn das Abrücken der Rettungsfahrzeuge ansonsten erheblich verzögert werden kann. Dies hat das Verwaltungsgericht verlin in seinem Urteil vom 06.02.2017 zu Aktenzeichen 11 K 339.16 entschieden. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, gleichwohl in mehrerlei Hinsicht interessant.
Im zu beurteilenden Fall befindet sich die Rettungswache an einer ca. sieben Meter breiten Straße, in welcher auf beiden Fahrbahnseiten geparkt werden darf. Dies führte immer wieder zu Verzögerungen beim Abrücken der Einsatzfahrzeuge, beispielsweise durch entgegenkommenede Fahrzeuge etc. Die Verzögerungen betrugen bis zu 60 Sekunden. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde lehnte die Einrichtung von Parkverboten, einer Einbahnstraße und dergleichen ab. Die Verzögerungen seien nur unwesentlich, gab die Behörde zur Begründung an.
Das Verwaltungsgericht Berlin entschied, dass eine Verzögerung von bis zu 60 Sekunden nicht hinnehmbar sei und kurze Eintreffzeiten der Notfallrettung von maßgeblicher Bedeutung für das Outcome des Patienten hätten. Die Straßenverkehrsbehörde ist daher verpflichtet, verkehrsrechtliche Anordnungen zu treffen, um einer Gefahr von verzögerten Rettungsdiensteinsätzen wirksam zu begegnen. Es steht jedoch im Ermessen der Behörde, welche konkreten Maßnahmen diese trifft. Eine konkrete Maßnahme (Parkverbot, Einbahnstraßenregelung etc.) kann der Rettungswachenbetreiber nicht von der Behörde verlangen.
Gegen die Entscheidung kann die Zulassung der Berufung noch beantragt werden.
Die Einhaltung von Hilfsfristen ist in den letzten Jahren immer häufiger ein Themen in den Medien und in der Diskussion der Rettungsdienste. Häufig werden Standortfragen und die Anzahl von Rettungsmitteln diskutiert. Allerdings kann auch der jeweilige Wachenstandort Probleme mit sich bringen, die vielleicht bislang noch nicht im Fokus der Verantwortlichen standen. Während Parkverbote im Bereich der unmittelbaren Ein- und Ausfahrt obligat sind, kann es durchaus angebracht sein, diese auf ganze Straßenzüge zu erstrecken, wenn die Verkehrslage ein ungehindertes Abrücken der Einsatzfahrzeuge nicht zulässt. In Verbindung mit weiteren Maßnahmen, wie Vorhalteerweiterungen, Standortverlegungen usw. kann so ein weiterer Beitrag zur Verkürzung der Hilfsfristen geleistet werden. Rettungswachenbetreiber sollten in diesem Zusammenhang die Verkehrssituation vor der jeweiligen Rettungswache genau analysieren und ggf. auf die zuständige Straßenverkehrsbehörde zugehen und im Bedarfsfall die Anordnung bspw. eines Parkverbot etc. einfordern.
Doch auch unter einem anderen Aspekt ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin beachtlich. Das Gericht hält eine Verzögerung von 60 Sekunden für derart hoch, dass es die Behörde zum Einschreiten verpflichtet. Angesichts der Tatsache, dass in einigen Bundesländern erwogen wird, die Hilfsfrist (Zeit vom Eingang des Notrufs bis zum Eintreffen des Rettungsfahrzeuges) von 10 bis 15 Minuten auf bis zu 18 Minuten zu erhöhen, ist die Entscheidung aus Berlin zu begrüßen. Sie verdeutlicht, welchen Stellenwert organisatorische Maßnahmen zur Einhaltung einer möglichst kurzen Hilfsfrist haben.