Die Haftung für Behandlungsfehler in der medizinischen Behandlung ist oftmals komplex zu bestimmen, da gerade bei schwereren Erkrankungen auch verschiedene Behandler beteiligt sind. Hierbei ist auch die Frage zu beantworten, wer bei Folgebehandlungsfehlern, also voneinander unabhängig verursachten Behandlungsfehlern verschiedener nacheinander tätiger Behandler, haftet. Das OLG Hamm hatte mit Urteil vom 15.11.2016 zu Aktenzeichen 26 U 37/14 einen solchen Fall zu entscheiden.
Bei der Klägerin wurde Anfang 2009 die Diagnose eines Upside-Down-Stomach, einer schweren Form der präösophagealen Hernie gestellt. Die behandelnden Ärzte der A-Klinik stellten die Indikation zur Gastropexie in laparoskopischer Vorgehensweise.
Diese wurde von der A-Klinik im Rahmen eines stationären Klinikaufenthaltes durchgeführt. Im Operationsbericht wird angeführt, dass der Magenfundus an das Zwerchfell angenäht wurde.
Wenige Wochen später wurde bei der Klägerin eine radiologische Diagnostik durchgeführt, die zu dem Befund führte, dass sich die Lageanomalie nur wenig kleiner als vor dem Eingriff darstellte. Die Klägerin begab sich in die B-Klinik zur Revisionsoperation. Bei dieser wurden allerdings nur die Nähte gelöst und keine Neuaufhängung des Magens vorgenommen.
In der Folge kam es zu einer erheblichen Anzahl weiterer operativer Eingriffe bei der Klägerin bis in das Jahr 2013 reichend.
Der vom Landgericht befragte Sachverständige stellte fest, dass der initiale operative Eingriff in der A-Klinik behandlungsfehlerhaft erfolgte, da die Magenfunduskaskade nicht am höchsten Punkt des Fundus aufgehängt worden sei und somit die Funduskaskade unverändert fortbestanden und ein Abkippen dadurch ermöglicht habe. Auch die Revisionsoperation in der B-Klinik sei fehlerhaft durchgeführt worden. Die fehlerhaft fixierten Nähte seien zwar erkannt, aber nur gelöst worden. In der B-Klinik sei lediglich der Zustand vor dem Ersteingriff in der A-Klinik wieder hergestellt worden. Die Operateure hätten bei der Revisionsoperation verabsäumt, den Magen korrekt aufzuhängen. Die weiteren sich aus den fehlerhaften Operationen folgenden Komplikationen hätten vermieden werden können, wäre die Revisionsoperation korrekt durchgeführt worden.
Neben weiteren Rechtsfragen war u.a. die Frage zu klären, ob der grobe Behandlungsfehler der Operatuere in der B-Klinik den Kausalzusammenhang unterbreche und somit die A-Klinik nicht mehr für die weiteren, sich ergebenden Folgen zur Verantwortung gezogen werden kann.
Im Wesentlichen stellte das Oberlandesgericht in zweiter Instanz fest, dass Der Fehler bei der Erstoperation, die fehlerhafte Aufhängung des Magenfundus zwar ein Behandlungsfehler ist, der jedoch auch einem guten Operateur unterlaufen könne und somit keinen groben Behandlungsfehler darstelle. Die Haftung der beklagten A-Klinik erstrecke sich jedoch auf sämtliche Folgen der fehlerhaften Operation.
Der Bundesgerichtshof stellte mit Urteil vom 06.05.2003 – VI ZR 259/02 fest, dass der erstbehandelnde Arzt haftungsrechtlich auch für die weiteren Eingriffe und deren Folgen einzustehen habe, die aufgrund des von ihm begangenen Behandlungsfehlers entstanden sind. Dies umfasst auch die Haftung für Behandlungsfehler und deren Folgen, die durch den weiteren behandelnden Arzt verursacht werden.
Eine Unterbrechung des Zurechenbarkeit der Fehler und Folgen des weiteren behandelnden Arztes für den Erstbehandler kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen sich das Schadensrisiko der Erstbehandlung auf den weiteren Krankheitsverlauf nicht mer ausgewirkt hat (so BGH, Urteil vom 28.01.1986 – VI ZR 83/85 sowie Urteil vom 20.09.1988 – VI ZR 37/88). Der Zurechnungszusammenhang entfällt aber auch dann, wenn der Folgebehandler seine ärztlichen Sorgfaltspflichten in einem außergewöhnlich hohen Maß verletzt, so dass der durch sein Handeln eingetretene Schaden nach haftungsrechtlicher Wertung alleine dem Folgebehandler zuzuordnen ist (so auch BGH, Urteil vom 22.05.2012 – VI ZR 157/11).
Im zu beurteilenden Fall hat der Sachverständige zwar einen groben Behandlungsfehler festgestellt, aber ein derart außergewöhnlich hohes Maß der Sorgfaltspflichtverletzung (besonders grober Behandlungsfehler) des Folgebehandlers, welches zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs führen könnte, nicht angenommen.
Der Klägerin wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000,00 € sowie ein erheblicher Haushaltsführungsschaden zugesprochen und festgestellt, dass die A-Klinik auch für die weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden einzustehen hat, die der Klägerin aus dem Behanlungsfehler noch resultieren können und werden.
Diese Rechtsprechung ist auf den ersten Blick für die Behandlerseite recht unerfreulich. Den Erstbehandler, dem ein einfacher Behandlungsfehler unterläuft, trifft auch die Haftung für weitere sich hieran anschließende Behandlungen und die hiermit ggf. verbundenen Fehler, auchw enn er selbst keinerlei EInfluß heirauf nehmen kann. Allerdings gilt dieses nur im Verhältnis des Erstbehandlers zum Patienten. Dem Patienten wird hierdurch die Last abgenommen, in solchen Fällen das Risiko tragen zu müssen, welchen BEhandler er für welchen Schaden in Anspruch nehmen kann. Oftmals dürfte es sich als schwierig gestalten, einzelne Schadenfolgen eindeutig einem konkreten Eingriff einer Reihe gleichgearteter Eingriffe zuzuordnen. Der Folgebehanler wird hierdurch jedoch nicht aus seiner Haftung entlassen. Er haftet im Innenverhältnis der Behandler zueinander und kann ggf. im Wege der Regresshaftung durch den Erstbehandler in Anspruch genommen werden. Das Risiko der Abgrenzung einzelner Schadensfolgen sowie der sich heiraus ergebenden Beweisschwierigkeiten trägt allerdings der Erstbehandler, nicht jedoch der (schützenswerte) Patient.
Herr Rechtsanwalt Markus Eitzer berät und vertritt als Fachanwalt für Medizinrecht bundesweit sowohl Behandler wie auch Patienten in Arzthaftungsfällen kompetent und engagiert.
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