Anti-Korruption im Gesundheitswesen

Anti-Korruption im Gesundheitswesen

Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem im Juni 2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen eine Strafbarkeitslücke geschlossen, zum Anderen aber auch Fragen der Zusammenarbeit und des Wettbewerbs offen gelassen. Der Gesetzgeber wollte die gewünschte Zusammenarbeit von korruptivem Verhalten abgrenzen, um den Patienten das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Integrität des Gesundheitssystems zu sichern.

Für die Beteiligten im Gesundheitssystem ergeben sich hieraus jedoch Fragen und nicht zu letzt Risiken, die das zulässige Agieren im Wettbewerb teil erheblich erschweren und unsicher machen.

 

Ausgangslage

Regelungen zu verbotener Interaktion zwischen den Leistungserbringern im Gesundheitswesen gibt es nicht erst seit 2016. Bislang gab es solche Regelungen bereits im SGB V (§§ 73 Abs. 7, 128 Abs. 2 SGB V) wie auch in der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä). Im wesentlichen wurde die Zuweisung gegen Entgelt, aber auch die Annahme von Zuwendungen unter Sanktionen gestellt, wenn hierdurch die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung in Frage zu stellen wäre.

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung des großen Senats für Strafsachen am 29.03.2012 – GSSt 2/11 entschieden, dass Ärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenkassen sind und somit eine Bestrafung wegen Bestechlichkeit nach § 299 StGB nicht in Betracht kommt.

„Der Vertragsarzt ist nicht Angestellter oder bloßer Funktionsträger einer öffentlichen Behörde; er wird im konkreten Fall nicht auf Grund einer in eine hierarchische Struktur integrierten Dienststellung tätig, sondern auf Grund der individuellen, freien Auswahl der versicherten Person.(vgl. BGH NStZ 2012, 505)“

Damit ergab sich eine Regelungslücke im Strafgesetzbuch, welche korruptives Verhalten von Vertragsärzten, Leistungserbringern etc. nicht hinreichend unterband. Zwar war dem bereits mit Sanktionen aus dem Vertragsarztrecht und der Berufsgesetze/-ordnungen zu begegnen, jedoch nicht mit hinreichender Deutlichkeit.

Das System bietet Anfälligkeiten, die sich inbesondere in der Steuerung hoher wirtschaftlicher Volumina durch den Arzt als Schlüsselposition darstellen. Die Verordnungspraxis von Arznei-, Hilfsmitteln und auch Krankenhausbehandlung bzw. Zuweisung zu spezialisierten Kollegen anderer Fachrichtungen, lässt Raum für korruptives Verhalten.

Andererseits wäre dann zu hinterfragen, inwieweit die Regelung des § 130a SGB V nicht gleichsam den Weg zu korruptivem Verhalten eröffnet. Demnach können die pharmazeutischen Unternehme mit den Krankenkassen Rabatte für die zu Lasten der jeweiligen Krankenkassen abgenommenen Arzneimittel vereinbaren. der maßgebliche Unterschied zu korruptivem Verhalten liegt jedoch darin, dass die Rabattverträge letztlich der Versichertengemeinschaft zu Gute kommen und Einsparungen in nicht unerheblicher Höhe bedeuten.

 

Die neue Regelung zur Anti-Korruption

Zweck der neu eingeführten Regelungen in §§ 299 a und 299b StGB ist letztlich die Verhinderung der Bevorzugung eines „Dritten“ im Wettbewerb um Gesundheitsdienstleistungen für Patienten durch wirtschaftliche Anreize. Während § 299a StGB ein Sonderdelikt darstellt, welches nur durch den darin bezeichneten Täterkreis

ein Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert

verwirklicht werden kann, ist § 299b StGB ein „Jedermann“-Delikt. Auch wenn sich der Gesetzgeber darum bemüht zeigte, einen Generalverdacht gegen die Ärzte und sonstigen Leistungserbringer im Gesundheitswesen zu vermeiden, ist ihm dies in der aktuellen Regelung allenfalls begrenzt gelungen.

Der Grat zwischen berufs- und sozialrechtlich gewünschter Kooperation und pönalisierter Korruption ist im Einzelfall sehr schmal und eine Abgrenzung nur unscharf möglich.

§ 299a StGB
Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er

1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,

2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder

3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 299b StGB
Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er

1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,

2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder

3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Kritikwürdig dürfte bereits sein, dass die Apotheker nicht unter § 299a StGB fallen. Hier wird man definitiv die Entwicklung der Rechtsprechung abwarten müssen, was zu erheblichen Unsicherheiten in der täglichen Praxis führen kann.

Wesentliches Tatmerkmal ist der Begriff des Vorteils, also

alle Zuwendungen, auf die der Täter keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessern (vgl. BGH – 1 StR 503/00).

Der Vorteil erfasst nicht nur die reine (materielle) Geldleistung sondern auch immaterielle Vorteile (Ehrendoktorgrade etc.).  Hinzu kommen fiktive Beraterverträge, Papierkorb-Studien, Rabatte für Praxisausstattungen (die über das im Geschäftsleben übliche Maß hinaus gehen) usw.

Kernstück aller Korruptionsdelikte ist die so genannte Unrechtsvereinbarung. Die Gesetzesbegründung stellt darauf ab, dass bei angemessenen Honoraren für Leistungen im Rahmen erwünschter Kooperationen und angemessenen Preisen nur im Falle des Hinzutretens weiterer Umstände auf eine Unrechtsvereinbarung geschlossen werden darf. Der Vorteil muss sich also als unzulässige Gegenleistung für die konkrete Besserstellung im Wettbewerb darstellen. Weihnachtsgeschenke zum Beispiel können hierbei durchaus kritisch gesehen werden. Wohl noch zulässig wird man geringwertige Präsente (bis 35 €, § 4 Abs. 5 EStG) ansehen können, wenn diese ohne konkreten Bezug zu einer Überweisung, Materiallieferung etc., im wege der allgemeinen Kontaktpflege getätigt werden. Hier wird man eine Besserstellung im Wettbewerb nicht per se annehmen können. Im Einzelfall wird man jedoch die Leistung (weihnachtspräsent) und Gegenleistung (zukünftige Zuweisungen etc.) und deren wirtschaftliche Verflochtenheiten kritisch zu hinterfragen haben.

Wichtig hierbei ist, dass es für die Strafbarkeit aus § 299a StGB gerade nicht darauf ankommt, dass tatsächlich eine Zuwendung oder ein Vorteil eintritt, sondern bereits das Sich-Versprechen-Lassen genügt.

Vor diesem Hintergrund wird man insbesondere bei interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaften zu prüfen haben, ob die Kooperation eine verdeckte Zuweisung gegen Entgelt bzw. bereits einen Vorteil darstellt, wenn der zuweisende Chirurg am Gewinn des Radiologen über die Berufsausübungsgemeinschaft beteiligt ist. Speziell in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) wird man hier ein großes Augenmerk auf die Gewinnverteilungen zu legen haben.

 

Ausblick

Erst in den kommenden Jahren wird sich zeigen, wie die neu geschaffenen Regelungen in der Praxis zur Anwendung kommen. Staatsanwälten und Richtern kommt hierbei die Aufgabe zu, die Abgrenzungskriterien der erlaubte Kooperation von der verbotenen Korruption zu definieren und auszuarbeiten. Nicht ausgeschlossen werden kann derzeit, dass Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, weil Konkurrenten am Markt eine unzulässige Interaktion von Ärzten und Leistungserbringern etc. wittern und diese zur Anzeige bringen.

Anwaltliche Unterstützung durch kompetente Straf- und Medizinrechtler ist in solchen Fällen dringend anzuraten, nicht erst wenn die Ermittlungsbehörden an die Türe klopfen. Die Prüfung von Verträgen und ggf. Kontaktaufnahme mit den zuständigen Stellen  (bspw. Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, §§ 81a, 197 a SGB V) kann Klarheit bringen und Strafbarkeitsrisiken reduzieren oder gar vermeiden.

 

Ihr Ansprechpartner im Medizin- und Versicherungsrecht:

Markus Eitzer

Fachanwalt für Medizinrecht

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